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Satt.org - Dezember 2003 Fritzi Gremliza
Bring ihn um, aber du darfst ihn nicht küssen
So kommentiert Toddy, in Blake Edwards "Victor und Victoria", den verzerrten Ausdruck, der bei der Erwähnung von Homosexualität auf dem Gesicht eines Mafiosos erscheint.
In gewisser Weise trifft der Satz auch auf den israelischen Film "Yossi und Jagger" zu, der die Liebe zweier Soldaten zum Thema hat, wobei die israelische Armee nicht mehr mit der Mafia gemein hat als jede andere. Tatsächlich ist sie sogar eine Ausnahme: denn sie bildet nicht nur eine Ansammlung der Dümmsten eines Volkes, weil die klügeren verweigern. In einem Land, in dem niemand verweigern kann, lassen sich auch einige Zivilisierte und Intelligente beim Militär finden, das so einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zeigt.
Trotzdem ist auch die israelische Armee der Ort, an dem alle Errungenschaften der Zivilisation, wie z.B. Toleranz gegenüber jeglichen Minderheiten, am schnellsten wieder vergessen sind. Selbst dessen ungeachtet überzeugt Eytan Fox neuer Film davon, daß es um die Bevölkerung Israels bestens bestellt ist.
Der Film spielt innerhalb nur weniger Stunden, während derer der Zuschauer einen überraschend tiefen Einblick in das Leben und die Charaktere der Mitglieder einer kleinen Einheit, die an der Grenze zum Libanon stationiert ist, gewinnt. Fox' Film ist genau das, was gutes Kino sein sollte, nämlich purer Voyeurismus. Er zeigt dem Zuschauer Szenen, die auf eigentümliche Art besonders bezeichnend sind, doch niemals erklärt er eine Situation. Der Zuschauer muß sich selbst in der Geschichte zurecht zu finden, so weit es eben möglich ist, und bekommt so das Gefühl eines besonders intimen Spannens.
Daß dieses Spannen so viel Freude bereitet, hat zwei Gründe: Erstens sind die Objekte durchweg sympathisch, sogar mehr als das. Im Mittelpunkt stehen Yossi, der Kommandant der Einheit, und Jagger, sein bezaubernder Freund. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Yossi, großartig dargestellt von Ohad Koller, ist ruhig, pragmatisch und konservativ. Jagger ist so eine Art Popstar der Einheit, witzig, lebendig und furchtlos. Wie alle anderen versuchen sie in einer Situation, die von Ernst und Todesfurcht beherrscht wird, ein Leben zu verteidigen, das ihrer Jugend angemessen ist. Es ist vielleicht diese Gabe, sich nicht mit dem bloßen Überleben zufrieden zu geben, sondern auf Spaß zu bestehen, die die Charaktere des Films auszeichnet und sie typisch "israelisch" macht. "Yossi und Jagger" zeigt, was an Israel so besonders und schön ist, oder wie Walla Entertainment es ausdrückte: "Yossi and Jagger is the only reason to stay in Israel these days."
Martin Scorsese hat über die Mafiosi in Coppolas "The Godfather" gesagt, daß man sie bewundere, weil sie so seien, wie man selbst sein möchte, oder eher weil man gerne ihre Leben lebte. Das trifft auch auf "Yossi und Jagger" zu. Der Zuschauer identifiziert sich nicht mit den Charakteren des Films, er bewundert sie. Der entscheidende Unterschied ist aber, daß er sie bewundert, weil sie so sind, wie er immer sein wollte, auch wenn er niemals ihr Leben leben will.
Und zweitens ist die Beziehung von Yossi und Jagger eine für das Kino ungewöhnliche. Während man sich in anderen Liebesfilmen immer fragt, was die Charaktere denn eigentlich noch miteinander beschnacken wollen, nachdem sie sich am Ende endlich gekriegt haben, zeigt Fox' Film zwei Menschen, die Spaß haben, die verrückt danach sind miteinander zu schlafen, sich zu ärgern, zum Lachen zu bringen und einfach zusammen zu sein, und benennt all dies Liebe. Vielleicht ist es diese Erkenntnis, daß die Liebe keine Himmelsmacht ist, sondern einfach eine Möglichkeit ist, Spaß zu haben, die den Film so romantisch und intim macht.
"Yossi und Jagger" ist nicht nur einer der besten Filme, die jemals gedreht wurden, er zeigt auch auf beeindruckende Weise, daß der Mensch nicht immer verachtenswert sein muß. Er versöhnt einen mit der Welt und kommt im Dezember in die deutschen Kinos. "Yossi und Jagger" ist somit wohl der erste israelisch Weihnachtsfilm.
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