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NZZ.ch - Dezember 2003 Alexandra Stäheli
Krieg und Liebe
Ein unbestimmtes israelisches Militärcamp nahe der Grenze zu Libanon. Ein unbestimmter Krieg. Eine Truppe, die auf ihren Einsatz wartet. Junge Soldaten, die scherzen, mit der schönen Goldie (Hani Furstenberg) tanzen, den Todesgeruch der Stollen mit ein paar Tropfen Hoffnung parfümieren. Die zarte Funkerin Yaeli (Aya Koren) wartet auf eine Gelegenheit, dem lebensfrohen Jagger (Yehuda Levi), Schwarm aller Mädchen, endlich ihre Liebe zu gestehen. Doch Yaeli kann nicht wissen, dass Jagger lange schon ein geheimes Verhältnis mit dem schweigsamen Zugführer Yossi (Ohad Knoller) hat. Jagger träumt von einem «ganz normalen» Leben zu zweit und drängt seinen Freund, die Beziehung nach dem Militärdienst öffentlich zu machen, wofür sich der nachdenkliche Yossi nicht begeistern kann. Als der Trupp schliesslich während eines nächtlichen Angriffs in einen Hinterhalt gerät, ändern sich die Koordinaten der Beziehung plötzlich dramatisch, und Yossi sieht sich gezwungen, nicht nur seinen Mann zu stehen . . .
Der israelische Filmemacher Eytan Fox verzichtet in seiner lakonisch-fragilen Kriegsballade, die auf einer wahren Begebenheit basiert, auf politische Analysen und Statements; er interessiert sich weder für nationalistische Argumente noch gar für militärstrategische Überlegungen. Vielmehr gerinnt das einsame Camp in den Bergen in Fox' sparsamer, beinahe reduktionistischer Inszenierung zur Metapher für den Zustand der israelischen Gesellschaft überhaupt, in der vor allem die jungen Menschen zwischen (latentem) Krieg und dem Versuch, ein «normales» Leben zu führen, zerrissen scheinen. Dabei schimmert dieser den israelischen Alltag prägende Konflikt immer wieder in der Brüskheit der satten Dialoge (Drehbuch: Avner Bernheimer) auf, die fast melancholisch jenen zerbrechlichen Lebenshunger kaschieren, von dem die Figuren unter ihren Tarnanzügen allesamt befallen sind. - Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der vierte Spielfilm des 39-jährigen Regisseurs in Israel schlagartig zum Publikumserfolg avancierte, denn «Yossi & Jagger» vermag nicht nur das Lebensgefühl einer jungen Generation knapp und dicht zu skizzieren; es gelingt dem Film auch, ein noch immer nicht ganz unbelastetes Thema in berührender Weise auf die Leinwand zu bringen: Zwar sind homosexuelle Beziehungen in der israelischen Armee kein Tabu (mehr) und auch kein überraschender Gedanke in einem Land, das eine der strengsten Militärpflichten kennt. Doch Fox geht es nicht nur um den Mut, sich zu einer sexuellen Identität zu bekennen, er benutzt das Thema des Coming- outs auch in einem allgemeineren Sinne als Nachdenken darüber, so erklärte er selbst in einem Interview, wie sinnlos es ist, ” im Versteckten zu leben - oder noch schlimmer, zu sterben, ohne allen sagen zu können, wer er oder sie wirklich war ”.
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