Ourmunich.de - Dezember 2003
Fred Fischer

Interview der Ourmunich mit Eytan Fox

ð OM: Du wurdest in den USA geboren. Fühlst du dich trotzdem als Sabre?

EF: Ja, in jedem Fall. Ich wurde in den USA geboren, kam im Alter von zwei Jahren nach Israel. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich hier verbracht und fühle mich wirklich nicht als Amerikaner. Ich möchte in jedem Fall damit weitermachen, meine Filme in Israel zu machen.

OM: Wie war deine Kindheit?

EF: Ich war ziemlich unschuldig. Israel war zu der Zeit sehr differenziert zu sehen. Wir alle fühlten uns sehr im Recht, haben gedacht, dass wir wissen, wofür wir Kriege führen. Wir haben uns selbst als ein Teil der kleinen, armen, sich zur Wehr setzenden, sittlich-moralischen Nation gesehen. Unglücklicherweise fühlen wir heute ganz anders.

OM: Willst du uns von deinem Coming Out erzählen?

EF: Da gibt es nicht besonders viel zu sagen. Ich war 24 Jahre und habe Gal Uchovsky (der Produzent des Films) getroffen. Wir verliebten uns, und nachdem eine gewisse Zeit verstrichen war, habe ich meiner Familie davon erzählt. Die holten ein paar Mal tief Luf, dann wurde Gal ganz schnell ein Teil der Familie. Das ging soweit, dass wir in den letzten Jahren bevor meine Mutter starb, all die jüdischen Feiertage gemeinsam mit meiner Mutter und Gals Eltern begingen.

OM: War es immer dein Ziel Regisseur zu werden?

EF: Ich denke auf jeden Fall. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals den Wunsch hatte, anderes zu werden. Obwohl ich eigentlich in der Highschool ganz gut in Singen und Tanzen war; aber erzähl‘ es niemand (lacht).

OM: Gleich dein erster Film war ein großer Erfolg, es ging um sexuelle Identität im Zahal (Israel Defense Forces). Hast du eine spezielle Affinität dazu?

EF: Der Zahal unterliegt einer großen Fluktuation. Die Leute, die in der Zeit dort waren, als ich Time Off gemacht habe, sind lange in Rente. Die Armee hier hat keine kollektive Erinnerung. Nur für die Gefallenen. Im Grunde glaube ich nicht, dass sich jemand dort an mich erinnert. Keine besondere Affinität.

OM: Der Zahal hat jegliche Unterstützung für die Erstellung von „Yossi & Jagger" verweigert; angeblich aus Imagegründen. War dies ein besonderer Ansporn für dich?

EF: Nein. Wir haben gewusst, dass uns der Zahal nicht unterstützen würde. Und auch, dass wir mehr Geld investieren müssten, um uns Gewehre und Uniformen zu leihen und die Locations für den Dreh zu mieten. Es ging auch nicht so sehr darum, dass uns der Zahal hilft oder nicht.

OM: Was ist die Antwort des Zahal auf den Erfolg des Films?

EF:Wie ich schon sagte. Es war nicht so ein Ding, was wird die Funktionäre des Zahal sagen würden, wir machten uns darüber nicht so viele Gedanken. Junge Menschen, ganze Schulklassen, liebten den Film und so war es auch mit den ganzen Soldaten und Soldatinnen, denn sie sind junge Menschen. In den Kinos von Tel Aviv waren in jeder Vorstellung Jungen und Mädchen in Uniform im Publikum. So, wie auch im Straßenbild Israels ständig und überall junge Menschen in Militäruniform zu sehen sind. Die Soldaten und Soldatinnen kamen nach der Beendigung ihrer Tätigkeit in den umliegenden Kasernen in die Kinos der Städte um „Yossi & Jagger", zu sehen. Einmal kam eine ganze Kompanie der Spezialeinheit Marines. Sie wollten den Film sehen, als Teil ihrer obligatorischen „Kulturstunden", die vom Zahal verordnet werden. Einmal im Monat erhalten die Angehörigen der Streitkräfte diesen Kulturbonus und damit verbunden eine Art Wertmarke, die in bestimmten Kinos, für bestimmte Filme eingelöst werden. Weil wir nicht auf der Liste standen, konnten uns die Marines damit nicht bezahlen. So führten wir den Film umsonst vor.

OM: Gab es negative Reaktionen?

EF: Es gab weder von Seiten des Zahal, noch von einer anderen Seite negative Reaktionen.

OM: In der Gesellschaft allgemein?

EF: Nein. Der Film war sehr populär. Ich glaube, ein Grund ist, dass wir in den letzten drei Jahren viel Tod und Schmerz in Israel hatten, das weißt du. Aber aufgrund der chaotischen politischen Situation haben die Leute gar nicht mehr richtig Zeit, über den Tod so vieler junger Menschen zu trauern. Lieber starten sie eine politische Debatte nach der anderen. Ich denke, unser Film war die erste künstlerische Gelegenheit, einfach mal um den jungen Mann zu weinen, der eigentlich nicht sterben sollte. Das war und ist eine gute Erfahrung für Israelis.

OM: Der nächste Film heißt „To Walk on Water". Gibt es weitere Projekte?

EF: Es ist eine israelisch-deutsche Liebesgeschichte. Wir hoffen, dass wir unsere Premiere bei der nächsten Berlinale feiern können. Was sonst? Sagen wir’s so, das ist eine Menge Zeit, darüber nachzudenken... (ff) ð

Sabre = Juden, die im Land Israel geboren sind, Zahal = umgangsspr. für Israeli Defense Forces

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