|
FR-aktuell.de- Januar 2004 Gunter Güöckenjan
Liebe auf dem Kontrollgang
Mit "Yossi & Jagger" inszeniert Eytan Fox eine homoerotische Love Story mit Hindernissen: Er verlegt sie ins israelische Militär.
Die Titelhelden des israelischen Spielfilms Yossi & Jagger sind Soldaten. Sie tun in einer Stellung nahe der libanesischen Grenze ihren Dienst. Es ist Krieg. Um sie herum liegt Schnee, aber in ihrem Herzen glüht die Liebe. Yossi & Jagger ist eine Love Story. Wie es bei einer Liebe zwischen zwei Männern in der Armee kaum anders sein kann, geben sich ihr die beiden nur heimlich hin, zum Beispiel bei gemeinsamen Kontrollgängen. Dann wälzen sie sich glücklich im Schnee, fast wie zwei kleine Jungen. Nur die Musik kündet vom tragischen Hintergrund dieser Liebe. Die israelische Sängerin Rita formuliert Jaggers Leitmotiv: "Komm lass uns den Nebel vertreiben / Komm lass uns im Licht stehen und nicht im Dunkel / Du darfst auch mal weinen, wenn etwas in dir zerbricht / Eines Tages wirst du aufhören, zwischen den Schatten in deiner Seele hin und her zu laufen..."
In der Öffentlichkeit ihrer Truppe sind sie Vorgesetzter und Untergebener. Yossi ist ein stiller und gewissenhafter Befehlshaber. Jagger, der eigentlich Lior heißt und wegen seiner lebensfrohen Gesangsausbrüche den Namen des Rolling Stones Frontmannes erhalten hat, ist dagegen schon fast ein Clown. Er strebt nach den hellen Seiten des Lebens: "Komm lass und den Nebel vertreiben!" Er wird seinen Chef auffordern mit ihm zu kommen, dahin, wo sie sich nicht verbergen müssen. "So wie es jetzt ist, so wird es lange Zeit bleiben müssen", antwortet Yossi. Doch da hat er sich natürlich getäuscht, denn nichts bleibt wie es ist, schon gar nicht in einer Kino-Love-Story. Da wird dem Zuschauer erst die wunderbare Zartheit der Liebe nahegebracht, um dann das, was zusammen gewachsen ist, weil es zusammen gehört, wieder zu trennen. Das Schicksal nimmt sich einen Teil des Paares, und hier ist es nicht die Leukämie, die zuschlägt, sondern das schwere Kriegsgerät.
Yossi & Jagger wurde in Israel zu einem Überraschungshit, wenngleich das israelische Militär diesen Film abgelehnt und selbstverständlich auch die Produktion nicht unterstützt hat. Egal in welchem Land man sich die Soldatengemeinschaften anschaut, ihr Selbstverständnis gründet auf einem eindimensionalen Bild kriegsfähiger Normalität. Abweichungen vom kasernierten Menschenbild werden wie Knochenbrüche gehandhabt, die man nur wieder herrichten muß, oder - im schlimmeren Fall - wie Fäulnis, die man herausschneidet. Im Jargon der Truppe gibt es die "Einheit", Vielfalt findet nur in der hierarchischen Unterscheidung Platz. Die Hierarchie aber eliminieren Yossi und Jagger. In der Liebe werden die beiden Männer gleich. Um so mehr unterscheiden sie sich von den anderen.
Der Gleichheit, die das gleichgeschlechtliche Paar realisiert, setzt das Drehbuch eine durch und durch hierarchisch organisierte Sexbeziehung gegenüber: Zwischen der goldblonden Funkerin und einem Kommandanten, der den Stützpunkt besucht, steht zu jeder Zeit fest, wer der Chef ist. "Make Love Not War"? Nicht ganz. "Liebe machen" ist hier zu nah am Krieg. "Lieben" wird als Alternative vorgeführt.
Diese Geschichte hätte man als Anklage in Szene setzen und das Problem, sich verstecken zu müssen, betonen können. Doch der strenge Ton wird vermieden. Yossi und Jagger verbergen einfach etwas vor den anderen, wie jeder die Intimität schätzt, irgend etwas nur für sich zu behalten. Regisseur Eytan Fox und seine Darsteller inszenieren das als leichte, heitere Liebesgeschichte und ziehen den Zuschauer so in ihre Geschichte hinein. Nach knapp 70 Minuten ist alles vorbei, die gar nicht so melodramatische Wendung zum Melodram eingeschlossen, die berührt, weil gerade auch sie leicht bleibt.
|