Fluter.de - Januar 2004
Philipp Bühler

Eine Liebe in Israel

Yossi ist Offizier der israelischen Armee und mit Leib und Seele Soldat. Jagger träumt von Urlaub und einem Leben als Popstar. Was beide verbindet: eine schwule Liebe, wie sie in keiner Armee der Welt gerne gesehen wird. Gemeinsam liegen sie in einem unterirdischen Gefechtsstand in den verschneiten Bergen des Libanon. Es ist ein seltsamer Ort, der für einen kurzen Moment zur Disko wird, bevor der Kommandeur, der mit seinen Soldatinnen schläft, ein lebensgefährliches Manöver befiehlt. Die weiße Pracht bedeckt die Risse im Inneren, wirkt aber auch wie ein Schutz in Erwartung eines unsichtbaren Gegners. Nach dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden Film lässt sich trefflich streiten darüber, was er uns über Israel sagt, ob er sich an den Rändern aufhält oder mitten ins Zentrum rückt, und was das Ganze mit dem Nahostkonflikt zu tun hat. Alle Sicherheit schwindet, wenn der Ausnahmezustand zur Normalität wird.

Fest steht nur, dass "Yossi & Jagger" mit seinen 65 Minuten zum israelischen Überraschungshit wurde. Schulklassen und Militärs stürmten die Kinos in einem Land, in dem Armee und Gesellschaft ineinander greifen wie nirgendwo sonst. Der Regisseur Eytan Fox hat nicht mit diesem Erfolg gerechnet, aber alles dafür getan. Seine Helden schwelgen in morbiden Hollywood-Fantasien, küssen sich zu Schlagern aus dem Transistorradio und streiten, im ernsten Flüsterton, über das Leben danach. Die Zärtlichkeit einer verbotenen Liebe kontrastiert mit dem Rest-Machismo einer modernen Armee; die Lieder der Ethnopop-Ikone Rita behaupten sich neben den Schrecken des Krieges. Diese sensible Ambivalenz wirkt genauso überzeugend wie die Enthaltung in der Frage, was Fox von der Politik in seinem Land und dessen Armee hält. Beide gehören zu jenen Bedingungen von Liebe, unter denen das Unmögliche poetisch wird, bevor es zerbricht. Ob schwul oder nicht, macht dabei kaum einen Unterschied.

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