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Filmkritiker.org - November 2003 Benjamin Happel
Es ist eine der ewigen Paradoxien des Kinos: dass Liebe und Krieg immer wieder zueinander finden. So unterschiedlich die Emotionen der brutalen Gewalt und Aggression und der zärtlichen Zuneigung auch sein mögen, viele der großen Filmklassiker vereinen rauschende Liebe mit dramatischen Kriegshandlungen. Vielleicht liegt es am Pathos, das sie beide durchzieht, oder an den narrativen Möglichkeiten, die der Krieg der erzählten Liebe bietet: einfacher als sonst läßt den Drehbuchschreiber der Krieg zu plötzlicher Trennung, unvermuteter Rückkehr oder tragischem Tod gelangen, und das Überleben des Krieges, das sonst als mindestens psychischer Krüppel nur geringfügig besser erscheint als der Tod auf dem Schlachtfeld, bekommt einen echten Sinngehalt, wenn im - meist fernen - Zuhause die Geliebte auf den Soldaten wartet. Auch Yossi & Jagger nimmt sich diese Paradoxie vor, doch anders als sonst, anders als in jenen Filmen, die zumindest topografisch das Zuhause von der Schlacht und damit die Liebe vom Krieg trennen, fällt hier beides in eins: Yossi (Ohad Knoller) und Jagger (Yehuda Levi) sind israelische Soldaten, an der Grenze zum Libanon stationiert, und ihre Liebe zueinander steht wohl grade deshalb unter so schlechten Vorzeichen, weil es kein reales rettendes Zuhause gibt, in das sich die Liebe schließlich flüchten könnte.
Um die Trennung vom Krieg zumindest in Gedanken, in den Zukunftsplänen, zu entwerfen, träumt Jagger davon, mit seinem Kommandanten Yossi schon bald in ein anderes Leben aufzubrechen. Er wird die Armee verlassen, in unbestimmter Zukunft, und gemeinsam mit Yossi möchte er dann leben und lieben ohne den ständig drohenden Krieg. Die wenigen Auszeiten, die sich die beiden bereits im militärischen Lager gönnen, sind so jenseitig verschoben wie Jaggers Wünsche: Sex haben die beiden nur fernab des Lagers, auf ihren 'Wachgängen', weil die Nähe des Krieges solche Intimität sonst gar nicht ermöglicht. Im Schnee balgen sie sich, in einer fast mythisch strahlenden, weißen Welt, die von nichts als einem hoppelnden Carroll'schen Kaninchen bevölkert wird.
Yossi & Jagger beginnt mit jener Liebesszene im Schnee, und wirft einen damit fast ein wenig zu grob in die Gegensätze des Films. Die Liebe der beiden Protagonisten zueinander scheint am Anfang noch wie aus einem klischeebehafteten Katalog schwuler Phantasien: die beiden Soldaten, die sich körperlich zunächst in der jugendlichen Schneeballschlacht nähern, und deren sexy Uniformen praktischerweise mit nur einem Reißverschluß gleich Zugang zu nackter Haut geben. Seine anfänglichen Klischees verliert der Film jedoch angenehm schnell, und in Bezug auf die Zweiteilung zwischen Krieg und Liebe, zwischen Realität des soldatischen Alltags und ferner Phantasie bekommt der Übermut der Schneespiele auch seinen Sinn: denn es sind nun mal jene Klischees, die die Soldaten am wenigsten ausleben können, gefangen in ihrer Welt, in der die Nahrung aus dem defekten Kühlschrank metertief vergraben werden muss, weil sie so stinkt, und in der selbst die im Basislager organisierte Party mit Musik aus dem Ghettoblaster nur noch trostlos wirkt.
Eytan Fox erzählt seine Geschichte in den wackligen Bildern einer Handkamera (Yaron Scharf), die die Unsicherheit der Protagonisten treffend widerspiegelt, deren sexuelle Identität unter ihren Kameraden zwar ein offenes Geheimnis zu sein scheint, dennoch aber niemals öffentlich ausgesprochen wird. Er erzählt von gegenseitiger Zuneigung und dem Mut, sie auszuleben - gegen den Widerstand gesellschaftlicher Normierung und den des Krieges: Die schwule Hymne Israels Your Soul ist das Lieblingslied Jaggers, und ihr Text scheint eine Metapher für beides zu sein: "Wie lange willst du weglaufen, wie sind sie, die Momente deiner Angst, man sollte sie vergessen, denn wenn der kalte Wind stürmt, schick ich dir mein heißes Feuer und eines Tages, eines Tages wirst du aufhören, zwischen den Schatten zu rennen." Jener Tag allerdings, an dem Yossi und Jagger aufhören können, zwischen den Schatten zu rennen, scheint weit: Yossis Vorstellungen haben mit den Wünschen Jaggers wenig gemein, seine Welt ist die Armee, und es scheint, als solle sie das auch bleiben. Und wenn schließlich, beinahe am Ende des Films, sich eine kriegerische Auseinandersetzung anbahnt, das Gegenstück quasi zu der Liebesszene zu Beginn, dann ahnt man, dass die Bedrohung der Liebe keineswegs besiegt ist, die Bedrohung, die die erzählenden Künste mit dem Ereignis des Krieges ihr schon seit so langer Zeit immer wieder in den Weg geworfen haben.
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