EPD.de - Dezember 2003
André Götz

Schwul sein und Soldat

Schwul sein und Soldat – das passt nicht ganz zusammen. Ob in der Armee oder im Fußball: Unter harten Männern sind Schwule nur als Platzhalter für das Andere, Weiche und Feminine geduldet. Und der Kitt eingeschworener Männerbünde, da hatte Freud bestimmt recht, speist sich aus verdrängter Homoerotik. Richtige Schwule stören da nur. Im Kino endet das meist tragisch – oder als Komödie, wie im Film Lattenknaller, der 2004 ins Kino kommt und von einem schwulen Torwart handelt.

Sympathisch ist es deshalb schon, wie der israelische Low-Budget-Film Yossi & Jagger das verminte Gelände umschifft, sich nonchalant für die romantische Utopie entscheidet und eine ganz normale Liebesgeschichte unter Männern zeigt, die eben zufällig in der Armee spielt. Sie lieben sich: Yossi, der Kommandeur, und Lior, der Offizier (den alle nur Jagger nennen, weil er was von einem Popstar hat). Wenn die beiden allein sein wollen, verschwinden sie auf Patrouille und toben ausgelassen im Schnee. Sex-politische Subtexte lauern hier nicht einmal im Hintergrund. Ihre Beziehung ist in der Truppe kein großes, sondern eher ein offenes Geheimnis: Irgendwas ist da doch faul, wenn ein Vorgesetzter dauernd mit seinem Untergebenen rumhängt!

Die wenigen Szenen, die sich ganz auf Yossi und Jagger konzentrieren, gehören denn auch zu den schönsten. Die Nachwuchsdarsteller Ohad Knoller und Yehuda Levi lassen mit lakonischer Knappheit eine mainstreamtaugliche schwule Romanze lebendig werden. Eine Romanze, die nicht viele Worte braucht – zumindest wenn es nach Yossi geht. Der sitzt schweigend auf der Pritsche und grübelt über den nächsten Einsatz nach, während Jagger exaltiert auf der Gitarre spielt, bekannte Schlager mit pornografischen Texten neu interpretiert und augenklimpernd fragt: „Würdest du mich auch noch lieben, wenn ich ohne Beine vom nächsten Einsatz zurückkehre?“

Abgesehen von solchen Köstlichkeiten stehen sich die poetische Liebesgeschichte und der dokumentarische Realismus des Films allerdings recht fremd gegenüber. Ein paar Konflikte gibt es schließlich. Jagger, der seinen Wehrdienst bald abgeleistet hat, will, dass Yossi ihm ins zivile Leben folgt. Yossi aber hat Angst vor einer bürgerlichen Beziehung, außerdem findet er Jagger manchmal „ziemlich tuntig“.

Weil Regisseur Eytan Fox aber keinen Problemfilm drehen will, fängt er lieber den Alltag in einem Militärcamp an der Grenze zum Libanon ein. Wenn die bunte Truppe zwischen Etagenbetten zu lautem Techno tanzt, verbreitet sich Skihütten-Atmosphäre, und das Ganze wirkt wie ein Rekrutierungsfilm für die israelische Armee. Um der Geschichte noch eine dramatische Wendung zu geben, die mit der schwulen Thematik garantiert nichts zu tun hat, kündigt sich plötzlich ein gefährlicher Einsatz an. Und damit, man ahnt es schon, nimmt die Liebe von Yossi und Jagger doch noch ein tragisches, tränenreiches Ende.

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