Berlinonline.de - Februar 2003
Hans-Günter Burghause

Küsse vor dem Transistorradio

Yossi ist Offizier der israelischen Armee und mit Leib und Seele Soldat. Jagger träumt von einem Leben als Popstar. Was beide verbindet: eine schwule Liebe, wie sie in keiner Armee der Welt gern gesehen wird. Aber ist das alles? Da ist ein Kommandeur, der mit Soldatinnen schläft und kurz darauf ein lebensgefährliches Manöver befiehlt. Das Ganze in einem unterirdischen Gefechtsstand in den verschneiten Bergen des Libanon. Die weiße Pracht bedeckt die Risse im Inneren, wirkt aber auch wie ein Schutz.

Nach diesem Film lässt sich streiten darüber, was er uns über Israel sagt, ob er sich an den Rändern aufhält oder mitten ins Zentrum rückt, inwiefern der Nahostkonflikt nicht doch seinen großen Schatten bildet. Alle Sicherheit schwindet, wenn der Ausnahmezustand zur Normalität wird. Fest steht nur, dass "Yossi & Jagger" zum israelischen Überraschungshit wurde. Schulklassen und Militärs stürmten die Kinos in einem Land, in dem Armee und Gesellschaft ineinander greifen wie nirgendwo sonst. Der Regisseur Eytan Fox hat nicht mit diesem Erfolg gerechnet, aber alles dafür getan. Seine Helden schwelgen in morbiden Hollywoodfantasien, küssen sich zu Schlagern aus dem Transistorradio und streiten, im ernsten Flüsterton, über das Leben danach. Die Zärtlichkeit einer verbotenen Liebe kontrastiert mit dem Rest-Machismo einer modernen Armee, die Lieder der Ethnopop-Ikone Rita behaupten sich neben den Schrecken des Krieges. Diese sensible Ambivalenz wirkt genauso überzeugend wie die Enthaltung in der Frage, was Fox von diesem Krieg und dieser Armee hält. Beide gehören zu jenen Bedingungen von Liebe, unter denen das Unmögliche poetisch wird, bevor es zerbricht. Ob schwul oder nicht, macht dabei kaum einen Unterschied. (bü.)

----Die Stadt Lydda liegt mitten in Israel, zehn Autominuten von Tel Aviv entfernt. Hier hat die Regisseurin Tsipi Reibenbach ihre Kindheit verbracht. 1977 verließ sie ihre Heimatstadt, um Film zu studieren. 25 Jahre später kehrt sie mit der Kamera zurück. Ihre Bestandsaufnahme "Eer lelo rahamim" könnte kaum bitterer ausfallen.

Lydda gilt als Zentrum des Drogenhandels. Unter der Hand raunt man, die Aktivitäten der palästinensischen Mafia würden offiziell geduldet, um die Kriminalitätsrate unter der arabischen Bevölkerung zu steigern. Die Stadt erscheint als Unort, aus dem wegzieht, wer es sich leisten kann. Über Jahrhunderte war sie für ihre Oliven bekannt. Weit außerhalb ihrer Mauern gibt es noch einige wenige Bäume. Ihre Zweige erscheinen als äußerst verletzbare Zeichen des Friedens.

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