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Artechock.film - Dezember 2003 Svenja Alsmann
Romantik zwischen Liebessehnsucht und Todesangst
Welche absolut unüberwindbaren Hindernisse können heute - in einer westlich orientierten Gesellschaft - einem entschlossenen Liebespaar noch im Wege stehen? Alle Grenzen scheinen durchlässig geworden zu sein: das Wort der Verwandtschaft, der religiösen oder sozialen Gemeinschaft wiegt oft wenig, wenn es um die Verwirklichung des individuellen Glückes geht. Die Überwindung von Standes-, Klassen-, Rassenschranken ist in unserer Kinoerfahrung so allgegenwärtig, dass es eher irritiert, wenn sie einmal nicht gelingt. Was kann einer glücklichen Liebe, einem Happy End heute also noch im Wege stehen? Nur der Tod.
Es soll allerdings auch vorkommen, dass die Liebenden gar nicht so entschlossen sind, dass sie die Bindung an überkommene Werte zunächst für wichtiger halten als das Bekenntnis zum Gegenüber. Welcher Schicksalsschlag vermag den Unentschlossenen dauerhaft zu bestrafen und die Verbindung unwiederbringlich zu verhindern? Nur der Tod.
Deshalb ist es wohl nur konsequent, einen Liebesfilm unter gefechtsbereiten Soldaten spielen zu lassen, wo die Gefahr allgegenwärtig ist. Wie ein Brennglas fokussiert das Leben, das vielleicht kein Morgen mehr kennt, die Gefühle und Sehnsüchte der Protagonisten. Und obwohl die israelische eine der Wehrpflichtarmeen ist, die Männer und Frauen gleichermaßen einzieht, ist es eine schwule Liebesgeschichte, die hier gezeigt wird. Es geht um eine Beziehung, die nicht nur wegen der verpönten Homosexualität, sondern auch als verbotene Romanze zwischen Vorgesetztem und Untergebenem geheim gehalten werden muss.
Bei aller Liebe sind Yossi, der Berufssoldat, und Jagger, der Wehrpflichtige, doch sehr verschieden. Der sachliche Yossi sieht seine beruflichen Perspektiven in der Armee mit ihren klaren Strukturen, der schwärmerische Jagger träumt von einer gemeinsamen Zukunft im zivilen Leben und einem öffentlichen Bekenntnis zueinander. Als eines Tages der Kommandant in Begleitung zweier Funkerinnen seine an der libanesischen Grenze eingeschneite Einheit aufsucht, wird Yossis Haltung in Frage gestellt. Eine der beiden jungen Frauen ist unsterblich in Jagger verliebt, und der Kommandeur bringt den Auftrag zu einem gefährlichen nächtlichen Einsatz mit.
Israel, Armee - wer denkt da nicht an einen politischen Film, an den eskalierenden Konflikt, der durch keine Road-Map einzudämmen ist, an Palästinenser und Siedler. All dies wird in YOSSI & JAGGER nicht an- oder ausgesprochen, ist allenfalls im Hintergrund, als Anlass für die allgemeine Wehrpflicht, mit-denkbar, aber kein Thema. Die Liebesgeschichte steht im Vordergrund, und die Gesellschaft spielt nur insofern eine Rolle, als sie die Beziehung beeinflusst. Es ist überdies ein Film über den Einfluss der Militär-Jahre auf die jungen Menschen, über Jugendkultur und Alltag in der Ausnahmesituation. Wie in vielen Kriegsfilmen werden auch hier die standardisierten Abläufe der Stationierten, das tägliche Einerlei nicht nur als langweilig und konfliktträchtig, sondern auch als Ort von Spaß, Romanzen, schlicht: Lebenslust gezeigt - immer kurz davor, als »Erinnerung an die glorreiche Militärzeit« missverstanden zu werden, in Wahrheit überschattet vom Bewusstsein der Gefahr.
Regisseur Eytan Fox hat YOSSI & JAGGER ursprünglich für einen Kabel-TV-Sender gedreht, bei seiner Kinoauswertung wurde der Film in Israel zum Hit. In der Darstellung des Militärs fanden sich viele junge Israeli wieder, und die Liebesgeschichte wurde international auf Festivals nicht nur homosexueller Filme interessiert aufgenommen. Durch seine Nähe zu den Protagonisten und den intensiven Blick auf ihre emotionalen Verstrickungen, durch die gelungene Charakterzeichnung und die überzeugende Stimmung ist der Film auf jeden Fall faszinierend.
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