Berliner Morgenpost Dezember - 2003
Peter Zander

Kleine und große Tragödien

Eine echte Männerrunde. Mit echten Machosprüchen und typischem Gehabe. "Was würdet Ihr machen, wenn ich schwul wäre?" fragt plötzlich einer. Kurzes Schweigen. Dann ein fettes Grinsen: "Wir würden dich vögeln wie eine Braut. So schön bist du." Kerliges Lachen. Männer unter sich. Nur: Der da fragt, ist wirklich schwul. Und hat zudem ein Verhältnis mit seinem Vorgesetzten. Bei täglichen Rundgängen verschwinden sie mal zwischendurch für kurze, leidenschaftliche Momente im Schnee. Für Yossi, den Kommandeur (Ohad Knoller), ist das ganz okay und könnte auch immer so weitergehen. Immer hübsch diskret, damit seine Männer nur ja nichts mitkriegen. Jagger (Yehuda Levi) aber träumt von der großen Liebe, einem freien Leben außerhalb der Armee. Ein Konflikt ist vorprogrammiert. Doch bevor der eskaliert, wird sich die Einheit an der libanesischen Grenze schmerzhaft bewusst, dass sie in einer permanenten Kriegsgefahr steht.

"Yossi & Jagger" gibt einen nie gezeigten Blick auf die israelische Armee frei. Und seine heimliche Liebesgeschichte rührt gleich an zwei Tabus. Homosexuelle Geschlechtsakte, noch dazu in unterschiedlichen Rangstufen, können eigentlich nur das Quittieren des Dienstes zur Folge haben.

Regisseur Eytan Fox, der sich schon 1990 in seinem ersten Film "Time out" mit der sexuellen Identität in der Truppe beschäftigte, führt das Thema in diesem nur knapp 70-minütigen Drama, das auf einer wahren Begebenheit beruht, weiter aus. Gerade mal 200 000 Dollar standen ihm von einem Fernsehsender zur Verfügung; und die Armee verweigerte ihre Zusammenarbeit, wo sie konnte. Es nützte nichts: Der Fernsehfilm wurde ins Kino gehievt, lief dort über Monate hinweg als Überraschungshit. Und plötzlich begann auch die Armee, Sondervorführungen zu veranstalten. "Wir, das israelische Volk, sind in gewisser Weise genauso emotional verwirrt wie die beiden Hauptdarsteller", erklärt sich Fox den Erfolg seines Films.

Ohne große Exposition kommt er gleich zur Sache. Zeigt auch die andere Seite, wie Vorgesetzte ihre weiblichen Soldaten missbrauchen, und überhaupt Soldaten, wie man sie nicht in den Abendnachrichten sieht. Kleine, persönliche Tragödien in einer großen, politischen. Trotz aller Schwere bleibt am Ende so etwas wie Hoffnung. Viel zu spät steht der Kommandant da zu seiner Liebe - auch und gerade vor den anderen. Und lächelt, als die betreten schweigen.

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